Julitta Franke – Faszination in Ton
Gegenstände aus Keramik überdauern selten lange Zeiträume. Wer aber mit Ton arbeitet, hält Jahrtausende altes Material in den Händen und verbindet so Vergangenheit und Gegenwart. Julitta Franke ist auf der Suche nach ihren Motiven weit in die Geschichte eingetaucht. Ihr Hauptthema fand sie schließlich in den Mythen und Religionen des Vorderen Orients, die sie mit profundem Wissen für uns in künstlerische Darstellungen umsetzte.
Geboren wurde die Künstlerin am 23. März 1933 in Bonn als zweites Kind ihrer
Eltern Elisabeth und Hans Karl Möhring. Ihre Mutter widmete sich der Erziehung der Kinder und dem Haushalt. Der Vater war Diplom-Gartenbauinspektor und Gewerbeoberlehrer und arbeitete für die
Gärtnerische Lehr- und Versuchsanstalt in Friesdorf (Bad Godesberg). Kurz vor ihrer Geburt wurde er Direktor der Schule für Gärtnermeister und zwei Jahre später auch Leiter der
Versuchsanstalt.
Die Wohnung der Familie lag über den Schulräumen und so hatten auch die Kinder Anteil am Geschehen, zum Beispiel als während des Krieges dort Verwundete zu "Kriegsversehrten-Gärtnern" ausgebildet
wurden. Direkten Gefahren war die Familie durch alliierte Fliegerangriffe ausgesetzt, die den auf dem Betriebsgelände aufgestellten Flakbatterien galten.
Die Eltern Möhring waren fromm und lebensbejahend und nahmen zwei verwandte Kinder auf, deren Mutter früh verstorben und deren Vater als Soldat im Krieg war. So wuchs Julitta gemeinsam mit drei
fast gleichaltrigen Kindern auf.
Zu ersten künstlerischen Ambitionen wurde Julitta Franke durch die
Näharbeiten ihrer Mutter angeregt. Sie begeisterte sich für Kreativität und die Möglichkeit, etwas von Hand selber zu machen und begann, eigene Kleider zu entwerfen. Schnell baten auch
Mitschülerinnen um ihre Entwürfe und einige wurden durch Hausschneiderinnen auch umgesetzt.
Kunstbücher waren im Krieg Mangelware. Daher sammelte sie Zeitungsartikel und Bilder, die sich mit Kunst befassten und stellte daraus verschiedene Mappen zusammen. Nach der Schule wollte sie
Kunst studieren, doch der Vater lehnte den Besuch der Akademie ab. Stattdessen begann Julitta Franke 1953 das Studium der Philologie, Kunstgeschichte und Kunsterziehung an der Universität Bonn.
Außerdem belegte sie Zeichenkurse und fertigte erste Arbeiten in Ton.
1957 heiratete sie den Historiker und Gymnasiallehrer Günther Franke. Das
Paar bekam in den nächsten zehn Jahren sechs Kinder. Die Familienarbeit ließ ihr keine Zeit für die Kunst, aber ihre Liebe zum kreativen Werken gab sie an ihre Kinder weiter. Die Söhne Michael (*
1957) und Ronald (* 1960 – 2015) wurden zu anerkannten Malern, Manuel (* 1964) widmet sich der Bildhauerei in großen Formaten. Marcel (* 1959) lebt seine Kreativität durch Sanierung alter Villen
und Parks aus. Der jüngste Sohn, Patrick (* 1967), wurde Professor für Islamwisssenschaft an der Universität Bamberg und unterstützte die historische Leidenschaft der Eltern durch seine
Kenntnisse und Reisen in den Vorderen Orient. Marie Violette (* 1962 - 1965) war die einzige Tochter der Familie Franke, die aber schon im Alter von drei Jahren durch einen tragischen Unfall
verstarb.
Die Familie verlegte 1966 ihren Lebensmittelpunkt für elf Jahre nach Brüssel, wo Günther Franke an der Europaschule unterrichtete. Julitta Franke begann ein Studium der Bildhauerei und Keramik an der Académie royale des Beaux-Arts. Nach ihrer Rückkehr nach Bonn konnte die Familie ein Gründerzeithaus in der Südstadt erwerben. Dort richtete sich Julitta Franke im Tiefkeller ein Atelier mit eigenen Brennöfen ein, das sie liebevoll ihr "Paradies" nennt. Kleinformate genügten ihr nicht mehr, sie entwickelte die Technik des Zusammensetzens von Figuren und baute ab 1980 Großskulpturen aus einzeln gebrannten Teilen.
Julitta Franke gehört verschiedenen Künstler-, bzw. Künstlerinnenkreisen an.
Neben dem Bundesverband Bildender Künstler (BBK) war sie zwölf Jahre Mitglied in der F.I.C.F.:
Fédération Internationale Culturelle Féminine (F.I.C.F.). Mit der 1961 in Paris gegründeten Gruppe internationaler Künstlerinnen nahm sie an großen Ausstellungen im Ausland teil, unter anderen in
Paris, Zaragossa und Athen. Außerdem schloss sie sich der Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen e.V. (Gedok) an. Das 1926 von der jüdischen Kunstmäzenin
und Frauenrechtlerin Ida Dehmel in Hamburg gegründete Netzwerk ist die älteste und größte Künstlerinnenvereinigung Europas. Die lokale Bonner Gruppe arbeitet häufig mit dem Frauenmuseum Bonn
zusammen. Zu einigen dieser Ausstellungen lieferte Julitta Franke das historische Fundament.
1989 nahm sie an der Biennale in Bagdad teil und vertiefte dort ihre Kenntnisse der Kulturen und alten Religionen Mesopotamiens. Besonderes Interesse entwickelte sie an den weiblichen Göttinnen
des vorderen Orients und Ägyptens. Im Zusammenhang mit Sophia, der göttlichen Weisheit, begann sie schließlich, nach deren verschütteten Spuren in der Bibel zu suchen.
In der näheren Umgebung stieß sie auf den wenig bekannten Kult der Dreifachen Göttin. Die zwischen Rhein und Eifel zahlreich vorhandenen Votivsteine, die während der Zeitenwende zu Ehren der
Matronen entstanden waren, regten sie zu großartigen Darstellungen an.
Julitta Frankes Werke befinden sich zum großen Teil in Privatbesitz. 2019 wurde in der Museumsscheune auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Malgarten bei Bramsche die Dauerausstellung "Raum für Sophia – Die Göttliche Weisheit in der Schöpftung" eingerichtet. An Hand ausgesuchter Arbeiten entfaltet sich ein großartiger Einblick in ihr Lebenswerk, das sich der Wiederentdeckung und Belebung der weiblichen Seite eines ganzheitlichen Gottesbildes widmet.
Interessierte können sich dort ein Bild von den sehr besonderen Keramiken der Künstlerin machen.
von Angela Klein-Kohlhaas
Julitta Franke:
Sophia, von Gott wie eine Göttin geliebt.
Keramik, ca. 60 cm,
1995
aus dem siebenteiligen Zyklus: Sophia -
Mystische Göttin der Weisheit
Julitta Franke:
Schöpfung.
Keramik, ca. 50 cm
Julitta Franke:
Pelasgischer Schöpfungsmythos.
Keramik
Julitta Franke:
Die wachsende Wiederkehr.
Keramik,
fünfteilige Stele, 245 cm
1993